Reminiszenzen an ein Vierteljahrhundert
- Unserer Angelika zum 25. Geburtstag -

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  52 war's, im Monat März,
hoch klopfte da ein Frauenherz!
Der Doktor teilte lächelnd mit -
nun junge Frau, bald sinds zu dritt!
Wer hätte das wohl noch geahnt,
3 Jahre war dies schon geplant.
Nun hatten wir den Punkt gefunden,
mein Weib begann sich leicht zu runden.
Oh, war ihr schlecht in diesen Tagen,
den Tanten wollten wir's nicht sagen.
Im Sommer wurde noch geschwommen
die Vogelwiese mitgenommen.
Der Hunger war nicht mehr zu stillen -
die Tanten äugten durch die Brillen.
Ein Zähnchen ließ sich Elli ziehn,
ich gab auch gleich eines hin.
Die Oma wurde um quartiert,
der Küchenofen rausbuxiert.
Auf 270,00 schwoll mein Lohn,
der Sommer trollte sich davon.
Jetzt zog Oktober in das Land -
der 5. im Kalender stand.
Die Nacht war mächtig turbulent,
gar mancher solchen Zustand kennt.
Der Nachbar dann hochexplosiv
mit mir zum Fernsprechhäuschen lief.
Die Klinik war sofort bereit
und mir war mulmig um den Leib.
Um 11:15 Uhr Sonntagstunde
quäkt unser Töchtel in die Runde.
Ich kam zu spät ans Wochenbett
den schönsten Donner hat ich weg.
Bald waren wir zu dritt zu sehen
und jeder meinte - ach wie schön!
Das Wägelchen im feinsten Staat
kaum 168,00 Mark.
Den Trunk liebt Töchtel erst nicht sehr,
der Song am Abend lag ihr mehr.
Gewichtlich anfangs knapp sechs Pfund
Just im Dezember 10 Pfund rund
Ihr erstes Lächeln zeigt sie an,
so kommt das neue Jahr heran.
Zuvor jedoch Silvesternacht,
die haben wir bei Jupps verbracht.
Bei uns daheim ist Oma da,
behütet Klein-Angelika.
 
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  doch recht bewegt war 53
zunächst lief alles ganz vernünftig.
Wir spielten Skat in alter Runde;
wobei die Frauen zu dieser Stunde
im Kino sich die Zeit vertrieben.
Der Winter war fast ausgeblieben.
Angelika ward dann getauft,
für Elli ein Kostüm gekauft.
Bei Töchtel sind die Haare blond,
wir fragen uns, wie das wohl kommt?
Zum Stopfen nicht mal Möhren gab
und Stalin brach den Atem ab.
Doch dann, es ist wohl kaum zu fassen,
streiken bei uns verführte Massen.
Noch einmal ist Oma umgezogen,
ein Kistchen war ihr nicht gewogen.
Im Steilflug fiel es  auf sie nieder,
im Bett fand sie sich leider wieder
und Juli wird, zwar noch versteckt,
das Töchtels erster Zahn entdeckt.
Doch als das Jahresende na,
ist schon das sechste Zähnchen da.
Gewicht von 22 Pfund -
dreiviertel Meter lang und rund.
Auch Papa fleucht von ihren Lippen
aufs Töpfchen kann man sie schon stippen.
Leicht wacklig und verwegen
läuft sie dem neuen Jahr entgegen.
Mir war das Weihnachtsfest vermisst,
ein Heckgeschwür Grund dafür ist.
Doch Elli fängt mit viel Elan
die gänzlich neue Arbeit an.
 
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  und 54 zeigte sich
zum Anfang erstmal fürchterlich.
Die Kälte stieg auf 30 Grad,
bei mir fror ein der Fernsprechdraht.
Angelika vom Tische fiel,
uns wurde dabei reichlich schwül.
Dann fuhren wir nach Boltenhagen
und Ellis Chef hat unterschlagen
der Sommer war nicht zu gebrauchen,
trotzdem wir oft spazieren laufen.
Nach Hennersdorf uns mehrmals drängt,
Patentantchen uns empfängt.
Und Töchtel führt mich durch die Stadt
noch nicht zwei Jahre - in der Tat -.
Mit Mutti im Theater dann,
sieht sie sich Aschenbrödel an.
Und Weihnachten gibt Vater Staat
erstmalig 35 Mark.
 
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  Neunzehnhundertfünfundfünfzig
war im großen ganzen günstig
Angelika das Mundwerk wetzt,
sie nennt sich Anadela jetzt.
Und Zittau große Feier hat
700 Jahre zählt die Stadt.
Wohnmöbel haben wir erstanden
ein Sparvertrag war schon vorhanden.
in Urlaub reisten wir zu dritt
in Schmika war das Töchtel mit.
Mein Weib im Stenokursus lernte
und half bei der Kartoffelernte.
Zum Weihnachtsfest warn alle da
Tanten, Onkel, Oma, Großpapa.
 
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  Das neue Jahr fing albern an
die Kälte schloss den Wasserhahn.
Die Gusse gab das Rennen auf
wir schleppen Wasser – runter – rauf.
Der Zahnarzt quälte Elli sehr
fiel über ihren Kiefer her.
Zum Urlaub lud uns Rerik ein
die See lag nur im Sonnenschein.
Jetzt Töchtel 16 Kilogramm
ein Meter lang und ganz schön stramm.
Betrieblich sind wir umgezogen
mit der Zentrale sitz ich oben,
und Tante Elly ganz beglückt,
kam aus Polen angerückt.
Unser Fräulein Tochter schließlich
stößt der Bock gar recht verdrießlich.
So durften wir nicht mehr verweilen,
ihr ein Lektionchen zu erteilen.
 
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  Ereignisreich im wahrsten Sinn
zog sich dann 57 hin.
Die Tante reist gen Westen fort
sucht einen neuen Heimatort.
Dann sorgte Tochter für Bewegung
brachte uns alle in Erregung.
Wir rannten hin – wir rannten her,
jedoch wir fanden sie nicht mehr.
Nach Stunden kam sie quietsch vergnügt
mit Dreirad übern Markt gepflügt.
Georgenthal sind wir zur Kur
Angelika privat mit fuhr.
Couch und Sessel neu erworben
unser Skatclub abgestorben.
Der dritte Mann fehlte uns sehr
beim BSV ich Funktionär.
Ein zentnerschweres Weltraumschiff
erstmalig um die Erde pfiff.
Doch mir genügt schon eine Fahrt
auf dem bewussten Riesenrad.
Die Tochter lotste mich dorthin
mein Magen sehr verdrießlich schien.
 
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  Was 58 uns beschert
ist immerhin erwähnenswert.
Zum ersten Male es geschieht,
dass Elli in den Bildschirm sieht.
Angelika voll Stolz und Mut
den ersten Einkauf selber tut.
Uns bietet sich ein Wohnungstausch
wir legten größten Wert darauf.
Verließen Frauenstraße 4
Willi-Gall-Straße zogen wir.
Und endlich werden dann im Mai
die letzten Lebensmittel frei.
Nach Prerow kamen wir zu spät
weil Dresden unter Wasser steht.
Ein schönes Herbst zog in das Land
ich schließlich im Quartett mit sang.
 
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  In manchem Jahr verbirgt sich viel,
verändert oft des Lebensstil.
Und 59 hält bereit,
was nicht ganz ohne Wichtigkeit.
Zunächst sei erstmal festgestellt,
das Mutti nunmehr 30 zählt.
Und wie doch so die Zeit verstreicht
10 Ehejahre sind erreicht.
Wir sind nach Oberhof im Zuge
die Fahrt verlief wie im Fluge.
An Pärchen reisten wir zu dritt
Beckers und Kirchners rollten mit.
Indes erfolgt ein Paukenschlag
der ganz besondere Wirkung hat.
Uns füllt sich mehr das Portemonnaie
dem Staat sei Dank für die Idee.
Das Töchterchen tritt mit Elan
den ersten Gang zur Schule an.
Begleitung lehnt sie rundweg ab
blamabel so ein Händchen Trab.
Jürgens Besuch erfreut uns mächtig
Angelika Windpockenträchtig.
Die erste Mondrakete bricht
auf des Planeten Angesicht.
Dann legte es uns alle lang
wir waren mit Angina dran.
 
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  Mit Gallendruck und Ziegenpeter
erwischte es uns etwas später,
wir schrieben jetzt das 60er Jahr
der Anfang nicht zum besten war.
In Dresden standen wir auf Brettern
versuchten wacker zu quartettern.
Mutti oblag ein Patenamt
im Mittelpunkt klein Steffi stand.
Großtantchen erstmals rüberkommt,
Töchtels Zensuren sind gekonnt.
Mit vollem Eifer ist sie dabei
hat neunmal 1 und viermal 2.
Gottleuba wir als Kur bekamen,
von unserm Onkel Abschied nahmen.
Ein Missgeschick besonderer Art
noch meinem Weib beschieden ward,
mit Einweggläsern in der Hand
so rutscht sie übern Treppenrand.
Dieweil sie das in Ordnung bringt
bereits ein neues Unheil winkt,
denn in der Küche fließt – oh Schreck –
das ganze Leitungswasser weg.
Läuft beim Hauswirt ein Stock drunter
die neue Küchenwand hinunter.
Und alles wurde neu gemalt
die Haftpflicht auch dafür bezahlt.
Silvester kamen wir zusamm
im Hennersdorfer Ortskretscham
und mit Gesang und viel Trara
begrüßten wir das neue Jahr.
 
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  Der Neujahrstag war arg verpatzt
für Oma brauchten wir den Arzt.
Und weiter in der nächsten Zeit
ergab sich manche Schwierigkeit.
Im März Muttis Geburtstag liegt
wo sie ein neues Küchlein kriegt.
Viel Wirbel brachte dieser Tag
12 Gäste sie ganz plötzlich hat.
Nach Prag fahrn wir zwei Tage aus
und Oma muss ins Krankenhaus.
Gagarin geht auf große Reise
zieht um die Erde seine Kreise.
Er ist der erste Kosmonaut
der auf den ganzen Erdball schaut.
Der Urlaub war uns bös vermasselt,
denn in Bansin der Regen prasselt.
Berlin wird plötzlich Mittelpunkt
der Maueraufbau ist der Grund.
Wir woll’n Kulturinteressen pflegen
nun im Theaterring uns hegen.
Die Weihnachtszeit war weiß und kalt
elektrisch unser Christbaum strahlt.
 
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  Viel Nudeln gab’s und wenig Apern
oft hieß es darum Süppchen schlappern,
selbst in Lokalen und Betrieben
wurden Kartoffeln großgeschrieben.
So ging es Anfang 62
das ganze Jahr verlief recht mäßig
Angelika uns Sorgen bringt
denn Scharlach sie ins Bettchen zwingt.
Und zur Freude der Gemüter
erscheinen des Gesetzes Hüter
verstänkern uns mit viel Effekt
das kein Bazillus sich versteckt.
Und meine BRK-Funktion
fordert natürlich ihren Lohn.
Ich fahr nach Leipzig dann allein
laß meine Lieblingsfraun daheim.
Der 1.Mai ist leicht entstellt
der schönste Schnee vom Himmel fällt.
Oma sagt der Frauenstraße ade
und wohnt nun ganz in unsrer Näh.
Der Urlaub Rohrbach war gelaufen
wir konnten Schalensessel kaufen.
Den letzten Tag in diesem Jahr
beschlagnahmte Angelika.
Zu diesem Zeitpunkt fiels ihr ein
es müssten jetzt die Masern sein.
Silvester schnell improvisiert
wurde zum Nachbarn dirigiert.
 
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  Grimmig sind die ersten Wochen
strenger Frost ist ausgebrochen,
dazu noch Schnee in großen Massen
die Straßen können ihn kaum fassen.
Busse und Züge weniger fahren
Strom, Gas und Kohlen heißt es sparen.
Theater und Kinos in den Orten
sie alle schließen ihr Pforten.
Auch die Schulen machen dicht,
verlagern ihren Unterricht.
Und Mutti balanciert bei Eis und Glätte
täglich den Weg zur Bildungsstätte.
Die Rentner freun sich königlich
Das Tor zum Westen öffnet sich.
Auch Großtantchen kommt wieder mal
für Vaters Umzug grünes Signal.
Angelika vom Schwimmen schwärmt
und schnell auch noch das Radfahrn lernt.
In Georgenthal es ihr gefällt
die erste Pockenimpfung sie erhält.
Ich mach indes die 50 voll
ein Datum, das man feiern soll.
Wir haben uns modernisiert
ein Waschmaschinchen eingeführt.
 
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  Wenn man so manchmal ahnen würde
wie ach so schwer des Jahres Bürde,
man wäre dann sehr gern bereit
zu überspringen solche Zeit.
Zunächst lief alles noch ganz friedlich
der Winter zeigte sich gemütlich.
Im Haus gestört war die Funktion
der sogenannten Dungstation.
So kurvten wir mit viel Pläsier
treppauf – treppab durch das Revier.
Eifrig sind wir im Theaterring
und Töchtel Rübenziehen ging.
Doch später sie aufs Näschen plumpst,
sich Lipp und Zähnchen arg verhunzt.
Seitdem hat sie den Schönheitsfleck
am Schneidezahn ein güldenes Eck.
Ein Fahrrad hat sie sich erspart
nun ist sie oft auf Radelfahrt.
Zensuren bringt sie ganz nach Maß
1,6 der Durchschnitt – das ist doch was.
Der Urlaub Hiddensee war schön
ab Dresden wollt’s nicht weitergehn.
Im Abteil war ein übler Mief
beherzt zog ich am Fenstergriff.
Der Zug faucht plötzlich arrogant
mir wurde dabei blümerant.
Und auch der Lokführer schien blaß
ich hab keen Dampf, was ist denn das!
Ganz ungewollt, doch recht exakt
hab ich die Notbremse gepackt.
Dann machte meine Galle schlapp
und Mutti baute nervlich ab.
Das Jahr klang aus, mir ging es gut
doch Elli fehlte noch der Mut.
Silvester trägt Kulturcharakter
mit „Feuerwerk“ im Stadttheater.
 
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  Und 65 im Quartal
erlebt mein Weib zum ersten Mal
wie wirkungsvoll und auch zum Wohle
so eine Feuerzangenbowle.
In diesem Jahr zur Friedensfahrt
war Zittau einmal Ziel und Start
und man erprobte mehr und mehr
des Außenringes Rechtsverkehr.
Der Busbahnhof hat einen neuen Ort
von Juststraße fährt man jetzt fort.
Nach Heringsdorf bracht uns der Zug
erholten uns dort nicht genug.
Angelika im Chor jetzt singt
besucht auch den Theaterring.
Beachtlich schießt sie in die Höh
einszweiundfünzig – Kopf bis Zeh.
Automatisch brennt das Hauslicht nun
ein neuer Gasherd ist der Boom.
Bequem ist so ein Telefon
wir machen auch Gebrauch davon,
jetzt wird nicht mehr so viel geschrieben
man wählt einfach 3 9 6 7.
Das Jahr klang aus im Burgteichrummel
wir saßen dort bei Kerzenstummel.
 
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  Am Anfang war das Wirrwarr groß
zum Bauplatz ward die Küche bloß
und alles wurde umgekrempelt
das Handwerkkorps kam angelämpelt.
Vor 20 Jahren standen wir
in Hennersdorf vor Trudels Tür.
Das Pfingstfest gab uns nun den Grund
wir feierten den engen Bund.
Auf 45 Arbeitsstunden
wird nun die Arbeitszeit gebunden
und jeder zweite Sonnabend frei
wir fühlten uns sehr wohl dabei.
Gottleuba stand im Kurenplan
ein neuer Kühlschrank kommt heran.
Die Blumenuhr erhält Geläut
worüber sich ein jeder freut.
Angelika erwachsen zählt
ein Personalausweis erhält.
Den letzten Tag im alten Jahr
verleben wir bei Omama.
 
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  Das Jahr ist reichlich wechselhaft
zunächst fehlt Mutti Nervenkraft,
die Klinik Görlitz nahm sie auf
und alles geht so seinen Lauf.
Viel Sorgen bringen diese Tage
gemeinsam meistern wir die Lage.
Und Tochter lenkt  ganz unbeirrt
selbst Oma ist dabei verwirrt.
Ein Klassenausflug nach Berlin
führt auch Angelika dorthin.
Die Jugendweihe rückt heran
der Kretscham Hennersdorf nimmt an.
Zum Fest im Hause der Armee
schickt Petrus uns den schönsten Schnee.
Fünf Tage wird nur noch gewerkt
der Parteitag hat uns so gestärkt.
Ein neuer Teppich ziert das Heim
doch packten wir den falschen ein.
Dann atmet Tochter Jutestaub
der Urlaub Thal hat uns erbaut.
Zur EOS erfolgt der Start
doch Töchtel ist erst mal malad,
und sauer hat man sie gemacht
der Franzenklasse zugedacht.
Bald geht der Ärger dann vorüber
die alte Truppe fand sich wieder.
Auch Mutti ist aktiv am Kommen
hat ihre Arbeit wieder aufgenommen.
Noch ehe sich das Jahr verdichtet
meine Zentrale ist errichtet.
Ich habe jetzt noch mehr zu plappern
rundum die neuen Lampen flackern.
 
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  Die ersten Wochen waren schlimm
Oma erkrankte zu Beginn,
ihr Schwesterchen lag auch noch fest
und Tochter musste mit ins Nest.
Betreuung war für Mutti schwer
sie jagte täglich hin und her,
doch Oma sich nicht überwand
im Grab die letzte Ruhe fand.
Die Zeit alsdann sehr schnell verrinnt
im EOS-Chor Tochter singt.
Nach Neschwitz geht’s zur Exkursion
dann feiern wir Konfirmation.
Das Großtantchen so ganz auf Draht
wagt her zu uns die weite Fahrt.
Damit sich mehren die Moneten
geht Tochter wieder mal arbeeten.
Und diesmal ihr besonderer Tick
die PGH der Mechanik.
Dann rollen wir mit PKW
zum Urlaub hin nach Zesch am See.
Um ihr Befinden zu verbessern
soll Mutti möglichst reichlich wässern.
Die Kneippkur dann in Berggiesshübel
war nicht das beste für ihr Übel.
Zumal im Lande viel Erregung
nach der Tschechei rollt die Bewegung.
Auch wird der Himmel nicht verschont
drei Amis fliegen um den Mond.
Wir ruppeln nun, zwecks der Hygiene
im neuen Hausbad unsre Beene.
Die Tanzstunde gibt Abschlussball
mit Tochter geht’s zum Volkshaussaal
und munter hier die Debütanten
als Knäuel durch die Gegend wanken.
Im Klubhaus dann zur Neujahrnacht
hat Töchtel ihren Tanz gemacht.
Ihr edler Ritter, wie bequem,
winkt nur von fern zum nächsten Drehn.
 
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  Das erste Halbjahr war geprägt
durch hohe Lernintensität.
Zum Prüfungsabschluss 10. Klasse
ist Tochter mächtig an der Trasse.
Die Schreibmaschine sie traktiert
ein Ami übern Mond spaziert.
Und weil uns Zesch so gut gefiel
war es nun wieder Urlaubsziel.
Der Chor erlebte große Tage
denn unser Staat zählt 20 Jahre.
Doch unser Fräulein rührt die Hand
steht in der Fettchemie am Band.
Bei einem Skat klang das Jahr aus,
wir drei blieben den Tag im Haus.
 
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  Im Januar des Jahres 70
ist erst im Hause etwas wichtig,
ein neuer Wirt nun übernimmt
das Wohnmilieu dadurch gewinnt.
Ein Meter Schnee liegt noch im März
eins – 66 – Tochterherz.
In Erfurt trifft sich Willi – Willi
und Arbeitspause macht jetzt Elli.
Zur Exkursion ist Tochter fort
Dresden – Berlin Bestimmungort.
Um Qualität kämpft auch der Chor
stellt sich in Löbau – Dresden vor.
Zu früher Stund ein Weinau-Gang
bringt uns den schönen Vogelsang.
Die Klasse hilft voll Emsigkeit
der Fettchemie in Schichtarbeit.
Bei Sportlerball und Chorvergnügen
lässt Töchtel sich nicht unterkriegen.
Dann sind wir drei in Boltenhagen,
der Rathausmast wird aufgetragen.
Zum Theater zieht’s uns wieder  hin
Silvester mit Karl Valentin.
 
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  Zittau ist finster wie noch nie
gespart wird jetzt die Energie.
Eine Gastritis macht mich krank
für eine Weile lieg ich lang.
Angelika fürs Abi schwitzt
und eifrig bei den Büchern sitzt.
Ich musste schnell zur Operation
dann gleich zurück an Telefon;
mein Finger hackt mit Vehemenz
der Chor singt in der Residenz.
Im TKZ als Packerin
stärkt Tochter ihren Klassensinn.
Geschafft ist nun das Abitur
ein-sieben-fünf die Endzensur.
In Herwigsdorf im Sportlerheim
ist letztes Klassenstelldichein.
Der Abiball das ganze krönt
die Hotmusik im Volkshaus dröhnt.
Ein Gartenfest für unser Haus
lockt alle aus der Wohnung raus.
Endlich steht der Urlaub auf dem Plan
nach Eglersburg trägt uns die Bahn.
Im Herbst steigt Tochter in den Zug
von Zittau hat sie mal genug,
Verkehrshochschule ist ihr Ziel
das Internat wird Domizil
Der Übergang zu 72
war dann auf alle Fälle hitzig,
erst haben wir bis Mitternacht
die Zeit mit Sautners nett verbracht.
Doch dann ergoss sich der Vulkan
mit Bier und Wienern rückt man an,
herbei strömten Völkerscharen
und bald wir an die 15 waren.
Wohin man guckte – wohin man trat
fast immer was derquere lag.
Um 5.00Uhr loschen wir das Licht
machten unsere Schotten dicht.
 
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  Das Jahr hat sich gut eingependelt
und Mutti bald nach Arbeit drängelt.
Der Betrieb hat gerne zugestimmt
mit Tochter sie den Hochwald nimmt.
Meine Gitarre will nicht mehr
Angelika schafft neue her.
Wir sind in Liberice und Prag
trotz Regen wars ein schöner Tag.
Betriebe werden umgestellt
Meißen ist Tochters Arbeitsfeld.
Ein Haus, das etwas älter ist
braucht hin und wieder ein Gerüst.
So wird auch unser Dach gestutzt
ringsum das ganze Haus geputzt.
Die Jalousien mussten fallen
das fand erst nicht Geschmack bei allen.
Wie schön ist doch Verbundenheit
so nimmt sich Tochter noch die Zeit.
Fährt mit dem Chor Richtung Schwerin
zu den Arbeiterspielen hin.
Dann folgte ein Reichsbahn-Praktikum.
5 Wochen sind sehr schnell herum.
Das Großtantchen kommt wieder an
und Mutti fehlt ein Schneidezahn.
Zesch uns die Erholung gab
der D-Bus fährt vorm Hause ab.
Zur Grenze hin nach Poland
öffnet die Stadt den Übergang.
Studenten sind in Marsch gesetzt
in Glowe jeder munter wetzt.
Die Wasserleitung wird erneuert
ein Klassentreffen hat erfreut.
Das alte Jahr ging friedlich aus,
gemütlich blieben wir zu Haus.
 
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  Die erste Zeit war ausgeglichen
nichts vom Normalen abgewichen.
Wöchentlich kam Studiosus heim
im Theater sind wir oft zu drein.
Am Tanzen hat sie viel Interesse
die Studenten fahrn zur Messe.
Marienbad streift Tochter durch
Generalmajors macht sie Besuch.
Und wie der Zufall es so will
Rennfahrer Brauchitsch kommt ins Spiel.
Wir walzen mit der Wandergruppe
erleben manches bei der Truppe,
doch unsere Miss sitzt wie ein Alter
beim Bahnhofsdienst am Kartenschalter,
sucht im Heim Gottleuba auf
und klettert auch den Berg hinauf.
Das Laufen fällt ihr ernstlich schwer
die Ärzte wissen nicht woher.
Beim Tanzen im „Dreieck“ war es dann
traf Tochter ihn – den Christian.
Voll Freude war die nächste Zeit
getragen von Gemeinsamkeit.
Ich habe die 60 angepackt
für Walter Ulbricht Trauerakt.
Ihr Bergfest feiern die Studenten
in Johnsbach sind wir Absolventen.
Doch Tochter viel Beschwerden hat,
muss daher bald in die Med.-AK.
Und Christian fährt hin zu ihr
das Gleiche tun natürlich wir.
Vom Bett aus geht das Lernen fort
die Kommilitonen helfen dort.
Eine Nierenkolik macht mich mang,
auch Lenchen wurde plötzlich krank.
Silvester feiern wir daheim
zu viert – wie könnt es anders sein.
 
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  Bravourös schlägt sich Angelika
nun auch im 3. Studienjahr.
Kommt erst nicht aus der Klinik raus
studiert später von zu Haus.
Und da sie nicht weit laufen kann
muss sie die meisten Wege fahrn.
Die Prüfungszeit verlangt viel Kraft
den Ingenieur hat sie geschafft.
Mit Christian war sie zusammen
sind oft gemeinsam ausgegangen.
Dann hörte man von ihm nichts mehr
noch einmal kam er zu uns her.
Das Bild vom Nachttisch bald verschwand
die Zweisamkeit ihr Ende fand.
Das Lenchen mussten wir begraben
Verwandte wir hier nicht mehr haben.
Wir kauften einen Kleinfernseher
und kamen der Kultur noch näher.
Mit Sautners fahrn wir oft im Wagen
doch Mutti hat am Herzen Schaden.
Dies Jahr entfällt die Urlaubsreise
wandern und baden hier im Kreise.
Ungarn war für Tochter vorgesehn
doch zu beschwerlich ihr das Gehen.
In Oberhof macht sie Station,
Sautners sind überrascht davon.
Dann nimmt uns Hotel „Newa“ auf
feiern Silbernes, wie das so Brauch.
Im Advent ist Tochter sehr auf Draht
lädt uns mit Sautners ins Internat.
Mit ihnen dann im Rendezvous
steuern wir auf 75 zu.
 
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  Das Jahr wird sehr bedeutungsvoll
denn manches sich verändern soll,
von Januar bis Monat Mai
zieht sich die Abschlussprüferei.
Für Tochter ist das kompliziert
in Dresden wird examiniert,
tapfer meistert sie die Schwierigkeit
was folgt, ist die Diplomarbeit.
Und trotzdem ließ die Zeit sich sparn
das Isargebirge zu durchfahrn.
Nach Polen sind wir auch gekommen
den Reifträger haben wir erklommen.
Couch und Sessel nun erneuert
die alten haben wir verscheuert.
Wer die Sessel möchte sehn
muss mal ins Museum gehen.
Dort dienen sie als Ruhepol
für manchen, dem nicht gerade wohl.
Telefonisch sind wir umgestellt
5-7-4-0 wird nun gewählt.
Nach Berlin ruft mich die ZRK
zum Sitzungsschwatz das ist wohl klar.
Indes in Dresden die Studenten
mit Straßenbahn die Bürger blenden.
Den Wagen, den sie selber führn
den haben sie sich ausgeliehn.
Ein Studiumsabschluss ist nicht ohne
auf das sich der Rabatz auch lohne.
Befreiungstag und FDGB
bestehen 30 Jahre je,
gebührend wird daran gedacht
dann Zeschurlaub uns wieder lacht.
Bei 14 Tagen Sonnenschein
sind wir mit Sautners im Verein.
Ihnen gebührt besonderer Dank
fahrn Tochter täglich an den Strand.
September folgt der Augenblick
da Tochter tut den nächsten Schritt,
im Dienstausweis kann man es lesen
Rat des Kreises – Verkehrswesen –
Ein Sonntag im September kam
er fing mit Überaschung an.
Denn unverhofft, wie staunten wir
standen drei Kastners vor der Tür..
Jürgen kam mit Heidi und René
machten Urlaub ganz in unserer Näh.
Die Diplomarbeit war harte Nuss
Verteidigung setzt nun den Schluss.
Für Angelika wars doppelt schwer
die Bewegung fehlte ihr gar sehr.
Per Zug wir dann nach Cottbus eilen
zwei Tage bei den Kindern weilen.
Das Schulungen von tiefem Wert
in Schönbach Tochter die erfährt,
noch eh das Jahr den Abschied nimmt
der Fahrschulunterricht beginnt.
 
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  Und wieder gibt es grünes Licht
zum Familienfahrschulunterricht.
Wo man auch geht und wo man sitzt
das Fahrschulfieber doch erhitzt.
Selbst im Bett wird noch gestrampelt
Kupplung, Schleifpunkt, Gas getrampelt,
die Vorfahrtsregeln sind ein Graus
und Mutti steigt auch einmal aus.
Der Lehrer schreit, man schreit zurück
die Nerven kriegen dabei einen Knick,
gemeistert wird jedoch der Sprung
bei Mutti mit Verzögerung.
René hat nun ein Schwesterlein
am 11. März traf Nicole ein.
Zum würdigen Diplomempfang
Angelika in Dresden stand.
Die Erde in Rumänien bebt
leicht unser Haus dabei mit schwebt,
und während wir in Boltenhagen
wieder Kurerholung haben
hat Tochter sich nach Zesch verdrückt
ist dort mit Sautners angerückt.
Sie nutzt die schönen Urlaubsstunden
dreht mit dem Skoda manche Runden.
Bewunderungswürdig die Geduld
wie Lore unser Fräulein schult.
Vom Sport gestärkt und braungebrannt
sind wir in Zittau angelangt.
Dach was nun folgt ist wie ein Traum
wir trauten unsren Augen kaum.
Die Überraschung war perfekt
den Trabi Tochter hält versteckt.
Wir steigen ein ins neue Stück
und Sautners fahrn im Skoda mit.
Die nächste Zeit ist aufgefüllt
der Fahrtenhunger wird gestillt.
Wir kreuzen auch in Cottbus auf
nach Zesch fahrn wir ein Weilchen drauf.
Da Trabi männlicher Natur
nennen wir – Strolch – den kleinen Bur.
Prompt Leipzigerstraße Ampelfeld
der Tacho seine Tausend zählt.
 Der Maler stellt sich bei uns ein
das Fernsehbild ist uns zu klein
sehr zeitig fängt der Winter an
Angelika kaum laufen kann.
Die Treppen müssen wir sie führn
kann schlecht sich aus dem Sessel rührn.
50 Spritzen – tausend Tabletten
sollen die Gesundheit retten.
Doch bis die Mittel sind parat
schreitet das Ambu hier zur tat,
täglich 6 mal Vitamin B
ist die überbrückende Idee.
Was der neunte Parteitag versprach
wird verwirklicht nach und nach.
Indes die Rentner sind bewegt
der Staat hat Märker draufgelegt
und Dresden bringt mir dringlichst nah
den Vorsitz unsrer BRK.
Ganz herrlich ist die Winterpracht
genau zum Fest der Weihenacht,
doch welches Wunder st geschehn
Angelika kann wieder gehen.
Allein schafft sie’s treppab, treppauf
und unsre Hilfe sie kaum braucht.
Unfassbar ist für uns das ganze
Silvester ich mit ihr schon tanze.
Wie glücklich sind wir alle drei
voll Hoffnung kommt Neujahr herbei!
 
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  Noch hautnah ist ja 77
bringt aber schon manches mit sich.
Angelika ganz resolut
hat wieder neuen Lebensmut.
Läuft weite Strecken ohne Pause
fühlt sich im Schwimmbad ganz zu Hause.
Ist nun 1 Meter 70 knapp
löst sich mit Mutti lenkend ab.
Und Strolch trägt uns durchs Lausitzland
5000 neuster Tachsostand.
Beim Klassentreffen im Sachsenhof
frischen sich alte Banden auf.
An Ostern hat es uns erwischt
den Winter nächtlich aufgetischt.
Von Cottbus mussten wir zurück
die Fahrt war Tochters Meisterstück.
Durch Schnee und Eis und Riesenpfützen –
die Scheibenwischer bleiben sitzen
bringt sie den Strolch mit viel Bravour
bergauf, bergab die Schlittertour.
Im Dreieck sind wir hin und wieder
bewegen unsre müden Glieder.
Für Tochter ist das kein Problem
kann ohne Schwierigkeiten gehn.
Dann werkt sie eine zeitlang nicht
hat Gürtelrose im Gesicht.
Drauf Zesch ist wieder Urlaubsort
sind schon im Mai 2 Wochen dort.
Berlin war auch mit einbezogen
das Wetter war uns sehr gewogen.
In Cottbus stiegen wir noch ab
zu sehen, was es Neues gab.
Dienstlich muss Tochter nach Berlin
wandern liegt ganz in unsrem Sinn.
In Leipzig die Spartakiade steigt
die Jugend dort ihr Können zeigt.
Der Sommer aber ist vermanscht
den Petrus hat zuviel gepanscht.
Noch lebt das Jahr in vollen Zügen
zum Zeitpunkt da dies hier geschrieben.
Gedanklich aber hellte auf
der 25 Jahre lauf.
Zurückgedreht das Rad der Zeit
bewegt sich die Vergangenheit
und vielgestaltig tut sich kund
was nunmehr bleibt – Erinnerung
 

Erich Kastner, August 1977