MAI 2012


"Mit Menschen, die nicht auf dem selben Weg wandeln wie du selbst,
solltest du keine gemeinsamen Pläne schmieden!" 
(Konfizius)

21. - 31. 05. 2012
Großer "Ausflug" am Mittwoch nach Dresden ins Hygienemuseum! Die DGM hat eingeladen zu einem Forum mit Podiumsdiskussion zum Thema ALS. Als Gast referiert Angela Jansen aus Berlin, die seit 18 Jahren die Krankheit hat und seit 14 Jahren invasiv beatmet wird. Sie hält ihren Vortrag (Powerpoint Präsentation) mit ihrem Sprachcomputer, denn ihr ist es leider nicht vergönnt, noch sprechen zu können. Ich finde mich in ihren Ausführungen größtenteils wieder in Hinblick auf Lebenseinstellung, Teilnahme am öffentlichen Leben, Platz im sozialen und familiären Umfeld usw. In knapp 4 h wurden von den Referenten (Neurologin, Vertreter der Barmer, Landtagsabgeordneter auch im Rollstuhl) diverse Themen und Probleme vorgetragen und diskutiert. Viel Neues konnte ich persönlich eigentlich nicht draus nehmen - Allerdings weiss ich jetzt, dass durch den Einsatz einer PEG mein Leben sich um 18 Monate verlängert (kein Witz!) oder anders betrachtet, da ich 100 Jahre "anstrebe", schaffe ich somit locker 101,5 Jahre!?! Damit kann ich zwar den alten Heesters nicht übertrumpfen, aber immerhin... Gegen 20 Uhr lag ich dann doch ganz schön geschafft wieder in meiner Koje, die ich um 12 Uhr verlassen hatte.
24. Mai - unser 32. Hochzeitstag - kaum zu glauben, wo ist die Zeit hin! Zur Feier des Tages sitzen wir gemeinsam mit all meinen Pflegekräften (nur Sebastian blieb der Einladung fern) im Garten und schleckerten ganz fetzige Tortenstückchen aus der Konditorei Lehmann. Ganz herzlichen Dank an die Konditorin, ich glaube Kerstin  heisst sie.  
Freitag ist wieder mal Durchgangsverkehr wegen mir. Um 10 Uhr bringt der Vertreter von Schaub-Reha-Technik für meinen E-Rollstuhl einen neuen Akku samt Ladegerät, da beides den Geist aufgegeben hatte. Da werden Ergo- und Physiotherapeutin wieder Stehübungen mit mir im E-Rolli machen... Die Logopädin trainierte mit mir eine halbe Stunde bis um 12 Uhr und gab sich mit Kerstin die Klinke in die Hand, sie bewegte mich vorm Wochenende nochmal richtig durch. Am späteren Nachmittag erschien Herr Döring vom Zittauer Sanihaus, um meine Handschiene anzupassen bzw. zu korrigieren. 
Die Pfingstfeiertage verbringen wir ganz ruhig und entspannt. Wolfgang ist Sonnabendabend auf dem Berg Oybin, um am Mönchszug teilzunehmen. Ich sitze täglich etwas im Garten und freue mich über das Gezwitscher  der Vögel und empfinde die Temperaturen sehr angenehm.
Wenn einer eine Reise tut, dann... sucht er erst mal seinen Personalausweis und der ist weeeg! Wolfgang ist ziemlich fertig über seine erfolglose Suche, doch am Morgen vor der Abfahrt nach Oldenburg findet er den PA im Jackett, welches schon im Koffer war. Nächste Aufregung folgt auf den Fuß: Die Radionachrichten melden Sperrung auf der Bahnstrecke Zittau - Dresden und Fahrplanänderungen!!! Hilfe mein Mann wird immer nervöser... Doch wozu habe ich das Internet! Die Bahnauskunft zeigt an, dass der Zug 22 min. eher als Schienenersatzverkehr abfährt. Also keine Panik - zeitlich alles noch im grünen Bereich! Gegen Mitternacht meldet Rüdiger, dass der Papa gut und planmäßig bei ihm angekommen ist. 

14. - 20. 05. 2012
Montag muss mich Cindy moralisch aufbauen. In den letzten Tagen häuften sich diverse pflegerische Unzulänglichkeiten und Mängel, sodass mir meine Hilflosigkeit und Abhängigkeit wieder so richtig bewusst wurden und da werde ich dann doch mal schwermütig. Aber inzwischen ist alles paletti LächelnAllerdings ärgert mich die Kamera des augengesteuerten Computers. Sie flackert sich einen weg und dadurch geht meine Trefferquote auf der Bildschirmtastatur gegen 0. Cindy setzt sich gleich mit der Firma Interactive Minds Dresden in Verbindung und dankenswerter Weise kommt schon Dienstag ein Mitarbeiter, um die Kamera auszutauschen. Ganz großes Lob für die unverzügliche Hilfe!!! 
Herr Döring vom hiesigen Sanitätshaus bringt mir die Lagerungsschiene für die rechte Hand. Ich soll sie zunächst stundenweise am Tag tragen. Meine Pflegekräfte sind ganz schön erstaunt, wie weit die Hand nach rechts abdriftet. Es fällt im ersten Moment gar nicht so auf. Mal sehen, ob die Schiene noch bisschen was richten kann. Bei den logopädischen Übungen wird mir richtig bewusst, dass im Gesicht und im Mund (Zunge) auch eine ganze Menge Defizite vorhanden sind. Aber entgegen der übrigen Muskulatur des Körpers, die "kaputt" ist infolge des gestörten 2. Motoneurons, ist das 1. Motoneuron, welches für die Sprache, das Gesicht etc. verantwortlich ist, bei mir gesund. D.h. durch Logo lassen sich im günstigsten Fall Verbesserungen erzielen. Das klingt doch gut! Im Gegensatz dazu macht mir mein Gewicht etwas Sorgen. Ich schaffe es kaum noch meinen täglichen Kalorienbedarf "rein zu futtern". Bei ALS ist es jedoch sehr wichtig nicht unnötig abzumagern. So habe ich mich nun für eine Magensonde/PEG entschieden. Damit können mir neben des ganz normalen Essens  die fehlenden Kalorien in Form von Sondennahrung zugeführt werden, analog natürlich auch Flüssigkeit oder Medikamente (z.B. Tabletten gemörsert). Nun muss das "Ding" allerdings erst mal  bis in meinen Magen gelegt werden. Soviel wir wissen, wird dieser Eingriff auch ambulant vorgenommen. Das wär' mir ja am liebsten. Unser Bekannter OA Dr. Müller wird sich im KKH dazu sachkundig machen. Mein Hausarzt wird sich über meinen Entschluss freuen, denn wäre es nach ihm gegangen, hätte ich schon seit einem Jahr die PEG. Ich denke und plane den Eingriff in der 1. Junihälfte, mal sehen, ob es so klappen wird. 
Unser Auto muss Lack lassen, da in unserer Einfahrt ein zweiter Pkw sehr großzügig geparkt wurde. Sehr ärgerlich..., zumal bekannt ist, wie eingeparkt werden soll.
Am Sonntagvormittag ist Leben im Haus, denn Luis und Moritz mit Mama einschließlich Oma besuchen uns. Andreas musste das verlängerte Wochenende in Dresden nutzen, um bei seinem Arbeitsauftrag voran zu kommen, so ist das eben in der Forschung! Mit Cindy nutzte ich das sonnige, aber sehr stürmische Wetter, um uns den Magen mit Eis abzukühlen. Der Witz war, dass wir als "Zechpreller" uns outen mussten, denn mein Portemonaie lag Zuhause. Also durfte Cindy mit mir gleich 2x den Weg zum Eiscafe bestreiten - selbst gemachtes Elend! 
Wolfgang kehrte am späten Abend planmäßig von der 4-tägigen Ausfahrt mit dem Oybiner Mönchschor aus dem Rheinland zurück. Er war vollauf begeistert und hatte viele neue Eindrücke bekommen. Höhepunkt der Fahrt war der Auftritt des Chores zur Mittagsmesse im Kölner Dom vor ca. 750 Besuchern. 


07. - 13. 05. 2012
Wolfgang hat Bescheid von der Augenklinik in Bautzen erhalten und er muss Mitte Juni für 3 Tage stationär zur OP seines Auges. Wir hoffen, dass die Mediziner den Grünen Star wenigstens Einhalt gebieten können. 
Heute, Dienstag werde ich erstmals von der Logopädin Bettina Tschirner von der gleichnamigen Praxis besucht. Sie macht sich ein Bild von mir und wir legen gemeinsam fest, was therapeutisch gemacht werden sollte bzw. kann. So werde ich ab jetzt 2x pro Woche jeweils 30 min logopädisch behandelt. Ich bin gespannt darauf... 
Einen lustigen und ausgesprochen schwatzhaften Nachmittag haben wir am Mittwoch mit dem Besuch zweier ehemaliger Arbeitskolleginnen. Mit Andrea und Kathrin " bereden" wir von A wie Amtsleiter bis Z wie Ziemlich gute Kollegen/innen quer Beet alles... Muss auch mal sein!!! 
Auch am Freitag gibt es mit Susanne und Gudrun, sie ist die neue Vereinsvorsitzende des Stadtchores, viel zum Reden. Bei bestem Wetter können wir im Garten sitzen und auch noch Susannes selbstgebackene Schwarzwälder Kirschtorte schleckern. Ich sag' einfach mal: Jeder wie er sich's verdient!
Von Samstag zu Sonntag habe ich eine sehr "blöde" Nacht - Ich kann nicht schlafen, Grund ??? Jedenfalls wird es draußen schon hell als ich gegen 4.30 Uhr endlich einschlafe. Dementsprechend fühle ich mich auch am Sonntag und Montag gleich noch mit.


01. - 06. 05. 2012
Ein schöner Feiertag neigt sich dem Ende. Bei herrlichsten Wetter, 27 grd im Schatten haben wir im Garten ausgiebig gefrühstückt und im Anschluss bis 13.30 Uhr draußen gesessen. Biene und Flecki immer mit dabei. Auch an den folgenden Tagen verleiht uns die Sonne Urlaubsflair - richtig toll!
Sonnabend steht um 10.00 Uhr die Redaktionssitzung des Sächsischen Chorverbandes in Dresden auf dem Plan. Es ist für mich der 1. Versuch innerhalb eines Tages einen Trip in die Landeshauptstadt zu unternehmen. Ich habe mich lange mental darauf vorbereitet und bin eigentlich guter Dinge. Mein körperangepasster Rollstuhl und eine dicke Pampers (denn Toilettennutzung funktioniert nicht und schiebern würde nur im Liegen klappen!) geben mir eine gewisse Sicherheit. Mein Tag beginnt sehr früh um 6.00 Uhr, damit wir 2 Stunden später pünktlich mit Markus starten können. Doch das geht gleich mal schief. Meine Nachtschicht hat das Zeitmanagement nicht im Griff, sodass Markus zu Dienstbeginn erst mal mit handanlegen muss, damit wir starten können. Die Zeit ist trotzdem nicht mehr einzuholen und wir treffen mit einer halben Stunde Verspätung bei den Redakteuren ein. Ehrlich gesagt mir war's ziemlich peinlich, neu im Gremium und gleich total unpünktlich. Aber alle freuten sich über den selbstgebackenen (Cindys Werk) Quarkkuchen, den ich als Einstand mitgebracht hatte. Fazit der Runde: Das sollten wir so beibehalten!" Bis 13.30 Uhr wurde intensiv beraten und diskutiert mit 2 Frauen und 5 Männern in der Runde. Es war auch keinesfalls ergebnislos. Gegen 15.45 Uhr lag ich wieder in meinem Bett, d.h. ich saß 7,5 h im Rollstuhl (mein persönlicher Rekord!) und musste nur 1x abgesaugt werden. Ihr glaubt gar nicht wie stolz ich darüber bin, dass ich alles völlig komplikationslos gemeistert habe. Das eröffnet natürlich neue Perspektiven... Ich will ja nicht gleich an eine Fahrt Oldenburg zu Rüdiger denken, aber ich bin dem ein ganzes Stück näher gekommen.
Abends fährt Wolfgang nach Oybin, um am 1. Mönchszug in diesem Jahr mitzuwirken. Derweil bekomme ich es kurzzeitig mit der Angst zu tun. Ich muss dringend abgesaugt werden, aber  mein fortlaufendes Rufen mit dem Sprachcomputer (Klingel hatte versagt) wurde nicht gehört, sodass ich ca. 20 min vollkommen panisch war. In meiner Ausweglosigkeit habe ich an Andreas eine Mail geschickt in der Hoffnung, dass er diese liest und tätsächlich wenige Minuten später läutet das Telefon und die Pflegerin wird von Dresden aufgefordert mich abzusaugen. Ihr war das alles sehr unangenehm und sie hat sich mehrmals entschuldigt, aber aus Fehlern kann man ja nur lernen. Leider kann es für mich aber lebensgefährdend sein.