NOVEMBER 2011
"Zeit hat man nur, wenn man sie sich nimmt"
(Karl Heinrich Waggerl - österreichischer Schriftsteller)
(Karl Heinrich Waggerl - österreichischer Schriftsteller)
28. - 30. 11. 2011
Zum Montag "gefällt" es mir so gut im Rollstuhl, dass ich abgesehen von 2 kleinen Pausen, insgesamt 8 h darin verbringe. Da viel an diesem Tag anliegt, werde ich bereits ab um 8.00 Uhr (eine Stunde eher als sonst üblich, unangenehm!!!) "bemuttelt". Als Verena um 11.00 Uhr eintrifft, um mir einen feschen Haarschnitt zu verpassen, sitze ich schon mit gewaschenen Haaren und abgefrühstückt, in der Küche bereit. Mit schöner Frisur empfange ich bzw. wir gegen 13.00 Uhr den Vertreter von MK Medizintechnik Leipzig, der heute das Modell für meine Sitzschale anfertigt. Ein ziemlich langwieriger Prozess, den ich in dieser harten Sitzschalenform zu überstehen habe. Das Schwierigste kommt dann zum Schluss - Wie kriegen sie mich aus dem Ding wieder raus? Da ich fest eingepresst bin, brauchen der Hersteller und Wolfgang paar Anläufe, um mich daraus zu befreien. Da die neue Kopfstütze schon mitgebracht wurde, dauert es danach erneut diese am Rollstuhl zu befestigen und anzupassen. Rein äußerlich wirkt diese Kopfstütze beinahe filigran, und wir waren zunächst etwas skeptisch, ob diese meinen "zentnerschweren" Kopf vollständig stabilisieren kann. Doch die Autofahrten in den nächsten Tagen belehrten uns eines Besseren. Mittlerweile zeigte die Uhr 16.00 an und Cindy kam, denn meine Kanüle musste gewechselt werden und Christina tat das zum 1. Mal. Für mich eine willkommene Abwechslung, denn ich musste dazu ins Bett. Ja und zum Abschluss des recht turbulenten Tages, hatten wir um 18.00 Uhr zu Teamberatung (Pflegeteam) eingeladen. Alle kamen Cindy, Sebastian, Markus und Christina. In angenehmer Runde am ovalen Tisch brauchten keine großen Probleme gewälzt werden, da insgesamt eine sehr gute Arbeit geleistet wird. Wolfgang hatte wieder einen großen Topf Käse-Lauch-Suppe gekocht, diese bildete den Abschluss der Zusammenkunft. Als ich letztlich gen 20.00 Uhr endlich in die Längslage konnte, war ich überhaupt nicht böse... Nachwirkungen des doch anstrengenden Tages bekam ich später zu spüren. Mein Nacken oder die HWS haben einen Hieb abbekommen... Solche Schmerzen hatte ich eigentlich noch nie. Allein das Anheben meines Rübchens beim Kopfkissen darunter legen, ist im Moment eine Qual. Nur gut, dass im Ruhezustand keine Schmerzen zu spüren sind.
Mit Astrid und Christina wurde ich am Dienstagnachmittag für einen kleinen Ausflug im E-Rollstuhl vorbereitet, was schon sehr aufwendig ist. Als wir dann bereits im Dunkeln starteten, pfiff vielleicht der böhmische Winde um die Ecke. Gemütlich ist wirklich anders, auch Biene, die nebst Herrchen mit war, machte nicht gerade einen glücklichen Eindruck.
Unser Aquarium ist nun auch wieder geklebt und erfreut uns tagtäglich. Flecki angelt öfter mal ganz vorsichtig an der Scheibe nach einem Fischlein. Wenn sie dann merkt, dass es nichts bringt, schwingt sie sich auf's Aquarium und pennt leidenschaftlich.
21. - 27. 11. 2011
Wenn montags zum Frühstück der Schornsteinfeger 'rein schneit, sollte die Woche doch eigentlich toll laufen oder...? Na, ihr habt 'ne Ahnung!
Während wir am Dienstag am "Runden Tisch" mit MDK, ZGD, Cindy und uns beiden Hauffes sitzen, um die Überprüfung durch den MDK bezüglich der Notwendigkeit meiner 24 h-Pflege abzuhalten und auf Fragen wie u.a. "Wenn Sie morgens zur Toilette gehen, benötigen Sie Hilfe?" antworten sollen, schreckt uns ein eigenartiges Rauschen auf... Wolfgang stürzt ins Wohnzimmer und kann zusehen, wie das Aquarium seinen Inhalt in die Stube strömen lässt. Eine Seitenkante war auf ca. 10 cm Länge aufgegangen und ließ das Wasser sinnflutartig über den daneben stehenden Computertisch, über Drucker, Tastatur usw. auf die Auslegware hinab - großartg!!! So saß ich plötzlich mit dem Herrn vom MDK allein am Tisch, denn die Damenwelt half Wolfgang, das Wasserchaos aufzuhalten... Mit Badetücher, Handtüchern, meinen Unterlagen fürs Bett und meinen Einlagen (letztere haben den Aufsaugtest aber so was von bestanden!!!) gingen sie zu werke. Ich saß derweil mit dem stummen Herrn vom MDK allein in der Küche, er hatte sich in die Tagesdokumentation vertieft und stolperte über den Satz "Patientin am PC übernommen." Frage: "Was ist denn das?" Im Nachgang fiel mir ein: Vielleicht ein "Pothologisches Chronometer". Zum Glück gesellten sich Josie und Cindy bald wieder zu uns, sodass er seine Fragen beantwortet bekam, denn mit mir wollte er nicht reden, d.h. er verstand mich auch nicht. Plötzlich denke ich, ich sehe nicht richtig: Draußen auf der großen Wiesenfläche saust eine Wildschweinrotte (6-8 Wildschweine) entlang. Das habe ich am hellerlichten Tage noch nicht gesehen. Abends bekam ich noch meinen Fuß eingegipst, es wurde ein Abdruck gemacht, um diese sogenannte Quengelschiene für die Nacht anzufertigen.
Am Mittwoch darf ich wieder mal die "Größte" sein. Im Beisein all meiner Therapeuten (Anja, Astrid, Kerstin) geht's in den E-Rollstuhl und ab in den Stand. Ich fühle mich gut dabei und mein Kreislauf wahrscheinlich noch besser.
Cindy sorgt dafür, dass mein Outfit nicht aus der Reihe tanzt und gibt meinen Haaren entsprechende Farbe. Währenddessen stellt sich mein Mann beim Arzt bezüglich seiner Diabetes vor. Der Hausazrzt hatte ihn dorthin überwiesen. Die Überprüfung brachte Einiges zu Tage, sodass weitere Untersuchungen anstehen. Hoffen wir, dass alles behandelbar bleibt!!!
Der Freitag gehört der Abschiednahme von einem Sängers unseres Chores, W. Schiffner. Auch ich nahm an der Trauerfeier teil. Problematisch ist allerdings, dass die Feierhalle nur über zahlreiche Stufen erreichbar ist. Doch dank vieler hilfsbereiter Männer war der Rollstuhl mit mir schnell nach oben gebracht - nochmals vielen Dank!
Am späten Samstagnachmittag stand plötzlich Andreas neben meinem Bett. Alle 4 waren gekommen, um uns einen kurzen Besuch abzustatten. Luis und Moritz staunten über den großen Adventsstern am Haus und unsere Weihnachtspyramide. Ansonsten hat Luis dem Opa mal die Richtung weisen müssen. Opa "Komm mein Mäusl!", daraufhin Luis "Ich heiße nicht Mäusl, ich heiße Luis!" Naja, wo er Recht hat, hat er recht!!!
14. - 20. 11. 2011
Es lebe die Aqaristik!!! Nach 3-jähriger Abstinenz hat mein Mann unserem 200 l Aquarium wieder Leben eingehaucht. Ein Gesellschaftsbecken mit Buntbarschen u.a. Fischen erfreut uns nun täglich. Besonders toll findet es Flecki, die oben drauf wunderbar schläft. Wenn Cindy Dienst hat aquarianisch kommuniziert, denn sie und die Lehmänner haben sich von Wolfgang total anstecken lassen und nennen inzwischen ebenfalls ein Aquarium ihr eigen. Also Vorsicht: Es gilt Ansteckungsgefahr!
Das sonnige Wetter am Buß- und Bettag haben wir genutzt, um das Grab meiner Eltern aufzusuchen und es mit winterlichem Schmuck zu bestücken.
Für Sonnabend hat der ALS-Kreis nach Dresden ins Hygienemuseum eingeladen. Cindy und Wolfgang nehmen an der Zusammenkunft teil. Für mich sind ca. 8 h im Rollstuhl nicht machbar. Ich hoffe diesbezüglich auf Verbesserung mit der geplanten Sitzschale. Es reizt mich schon persönlich dabei zu sein, denn für das nächste Treffen im Frühjahr 2012 hat sich Angela Jansen angesagt. Diese ALS-Patientin aus Berlin hat Jörg Schlingensief in seine Theaterproduktion mit eingebracht. Letztendlich hatte sie dadurch einen Auftritt in Paris. Mit 4 Pflegekräften hat sie die Reise per Zug angetreten, weil Fluggesellschaften beatmete Personen nicht ohne Weiteres befördern. Dass sie die lange Fahrt, sitzend im Rollstuhl so ausgehalten hat, ist mir ein Rätsel!?!
07. - 13. 11. 2011
Eine freudige Überraschung flatterte ins Haus - Der Bewilligungsbescheid für meine Rollstuhlsitzschale incl. der Kopfstütze. Dank an die BKK Gesundheit dafür, immerhin 4500 Euro Kostenumfang. Nur gut, dass nicht die Mehrheit der Kassenmitglieder solche Ansprüche stellen... Wenn ich allerdings überlege, dass der ursprüngliche Kostenvorschlag des ortsansässigen Anbieters mehr als doppelt so hoch ist, dann ist die Einholung mehrerer Angebote durch die BKK mehr als gerechtfertigt.
Diese Woche gestaltete sich irgendwie zur"Woche der offenen Tür", es war ein ständiges Kommen und Gehen.
Montag: Physiotherapie - Besuch vom Chor, der allerdings kurzfristig auf Freitag verschoben werden musste - Abstecher von Nick wegen noch ausstehender dienstlicher Belange
Dienstag; Anwesenheit von Josie, um Christina zu prüfen - Besuch von Sebastian, der mit Josie sprechen wollte - Ergotherapie
Mittwoch: Physiotherapie - Podologin (meine Füße hatten es nötig)
Donnerstag: Ergotherapie - Besuch vom Hausarzt, ihm versuchte ich, seine Frau für mein Pflegeteam abzuluxen, aber damit war er absolut nicht einverstanden.
Freitag: Besuch von Susanne mit leckerem Maulwurfkuchen, ein sehr netter, unterhaltsamer Nachmittag
Schön, dass am Wochenende mal nichts auf dem Plan steht, denn teilweise habe ich wochentags kaum Zeit für mich und das Internet (und das geht gar nicht!!!)
01. - 06. 11. 2011
Vor 5 Jahren am 01. November bestätigte mir Prof. Dr. Meyer von der ALS Sprechstunde an der Charite Berlin im Beisein von Wolfgang und Andreas die Diagnose (VA) ALS mit dem besonderen Verlauf als PMA (Progressive Muskelathrophie). Letzteres bedeutet, dass "nur" das 2. Motoneuron betroffen ist und damit die Sprache erhalten bleiben wird (hierfür ist das 1. Motoneuron verantwortlich). Ich kann euch gar nicht sagen, wie wichtig es mir ist, mich artikuli eren zu können. Wenn das nicht ginge, wäre ich schon öfters verzweifelt...
Mein reiselustiger Gatte lässt sich per IC zum Sparpreis von 29,00 Euro nach Oldenburg bringen. Grund seiner Reise ist eine weitere Premiere von Rüdiger. In dem Stück "Biedermann und die Brandstifter" ist er als Dr. phi. und im Chor zu sehen .
Irgendwie ärgert mich mein augengesteuerter PC. Die Kamera flackert fortan, wodurch ich die Tastatur nicht mehr treffsicher bedienen kann. Ein Anruf in Dresden bei Interactive Minds GmbH genügte und Herr Joos stand bereits am nächsten Tag vor der Tür bei uns - BEISPIELGEBEND - Schnell hat er die Kamera ausgewechselt und bei der Gelegenheit gleich sämtliche Schrauben wieder festgezogen. So ist für mich die Internetwelt wieder ungehindert nutzbar, welche FREUDE! Danke, Herr Joos für Ihre schnelle und unkomplizierte Hilfe. Gleichzeitig habe ich seinen Besuch genutzt, um meine Idee einer Informationsveranstaltung über das augengesteuerte Computersystem in Zittau durchzuführen, anzusprechen. Wir sind uns einig, dies für das 1. Quartal 2012 vorzubereiten. Ich werde den Termin für alle Interessenten rechtzeitig bekannt machen.
Samstagabend trifft Wolfgang pünktlich und wohlbehalten wieder Zuhause ein. Ich bin froh, dass er zurück ist, aber Biene und Flecki haben ihn am meisten vermisst. Sie nehmen ihn auch gleich in Beschlag. Flecki sichert sich gleich mal einen Platz auf dem Koffer. In Oldenburg ist es sehr erlebnisreich gewesen und die Premiere ist beim Publikum gut angekommen.
Die Woche beenden wir mit einem Brunch in der Moccabar. Kurzfristig lassen sich Ilona und Bernd vom Brunchen begeistern, da meine Freundin aus Krankheitsgründen absagte. Bei abwechslungsreichen Speiseangebot und netter Unterhaltung haben wir gemeinsam mit Cindy das Ganze genossen.