SEPTEMBER 2011


"Es gibt mehr Leute, die kapitulieren, als solche, die scheitern."

(Henry Ford)

26. - 30. 09. 2011
Die letzten Tage des Monats haben es in sich, ein Termin jagt den anderen. Zunächst ist der Montagnachmittag belegt mit Josies Besuch. Sie weist eine neue Pflegerin, die im Oktober bei mir anfängt, gerätetechnisch ein. Außerdem ist Nick geladen, der seinen nächsten Check erfolgreich absolviert. Zwischendurch gönnten wir uns ein Käffchen und schleckerten Dresdner Eierschecke, die Josie aus der Landeshauptstadt mitgebracht hatte. Pünktlich um 22.00 Uhr steht Wolfgang in der Tür, worüber ich mich sehr freue. Er ist etwas geschafft von der Bahnfahrerei, aber gleichzeitig überaus glücklich von den gemeinsamen Tagen mit Rüdiger in Oldenburg.
Dienstag steht im Kalender: Hausarzt, Wundschwester und Ergotherapie. Der Hausarzt findet keine Beanstandungen bei mir. Der Wundschwester können wir einen geschlossenen Dekubitus zeigen und gemeinsam das weitere Vorgehen zur Heilung meines Allerwertesten besprechen.


19. - 25. 09. 2011
Mein Dekubitus ist böse und ärgert mich sehr. Er ist unterhalb vom Steiß wieder aufgegangen und schmerzt besonders, wenn ich im Rollstuhl sitze und wird dadurch auch keinesfalls besser. Also beiße ich in den sauren Apfel und bleibe bis auf weiteres nur noch im Bett. Ist bedauerlich, zumal der Herbst sich von seiner goldenen Seite zeigt, aber was hilft's. Schließlich haben wir geplant, demnächst wieder mal ein paar Tage in Dresden zu verbringen und dort brauche ich einen "intakten Hintern".
Für Rüdiger steht am Donnerstag schon die nächste Premiere an. Diese beinhaltet ein Stück von Herrmann Hesse "Demian", wo er die Hauptrolle übertragen bekommen hat, den Emil Sinclair. Wolfgang vertraut der Deutschen Bahn und fährt an diesem Tag nach Oldenburg, um der Aufführung beizuwohnen. Völlig begeistert berichtet er mir am nächsten Tag von der erfolgreichen Premiere. http://www.nwzonline.de/Aktuelles/Kultur/Theater/NWZ/Artikel/2697470/Kurzweilige-Austreibung-eines-erotischen-D%E4mons.html
Bis kommenden Montag wird Wolfgang die Zeit mit Rüdiger genießen. Um mich braucht er sich keine Sorgen zu machen. Ich werde rund um die Uhr von Cindy bzw. Nick versorgt und verwöhnt.
Mein Duschrollstuhl wurde durch eine Kopfstütze ergänzt, sodass keine 2. Person mehr zwingend zum Duschen erforderlich ist. Bisher musste mir immer der Kopf gehalten werden. Jetzt wird er in der Kopfstütze mit einem Klettband fixiert und schon kann er nicht ausbrechen. Cindy duscht mich am Sonntag ganz allein und es klappt prima. Ich fühle mich völlig sicher und kann das Duschen so richtig genießen. Das wird erstmal eine neue Herausforderung für meine Pflegekräfte. Aber wir sind eben dadurch zeitlich unabhängig und ich kann im Bedarfsfall auch mehrmals in der Woche geduscht werden.


12. - 18. 09. 2011
Mein Kopf ist mal zum Haare schneiden da und Verena holt richtig viel runter - das tut gut und bringt meine "Schönheit" wieder voll zum Vorschein (Einbildung ist eben auch eine Bildung!). Bernd und Ilona St. erfreuen uns am Dienstag mit ihrem Besuch. Gemeinsam vergeht die Zeit so schnell, sodass Nick sich noch bei meiner Körperpflege beeilen muss, damit wir fertig sind,wenn Astrid zur Ergo eintrifft. Die tägliche Vesper fiel der Zeit zum Opfer, finde ich aber nicht weiter tragisch, denn "ich lebe nicht um zu essen, sondern ich esse um zu leben". Am 17.d.M. ist bereits der 4. Todestag von meiner Mutti. Wir nutzen das angenehme Wetter und fahren zu ihr aufs Krematorium. Nachdem wir unsere Blumen abgelegt haben, machen wir noch einen kleinen Spaziergang entlang der Gräber. Gepflegte Grabstätten, ebene Wege und ein sauberes Allgemeinbild des Krematoriums erfreuen uns dabei. Unterwegs treffen wir Kerstin V. und schwätzen eine Weile. Andreas tritt am Freitag in den "Club der 30 jährigen" ein. Wir gratulieren telefonisch und freuen uns, dass er gesund und munter ist. Lediglich Moritz fiebert gerade, wahrscheinlich sind die Zähnchen die Ursache.
Wolfgang nimmt nun wieder regelmäßig am Mönchszug in Oybin teil und fühlt sich sehr wohl in seiner "früheren" Gilde. Bevor er am Sonnabend nach Oybin aufbricht, besuchen mich bzw. uns Susanne N. und Hannelore F., traditionsgemäß mit selbstgebackenem Kuchen. Verwöhnt werden wir wirklich gar nicht !?! Eierlikör gibts zusätzlich noch.
In Oldenburg hat Rüdiger Premiere von "Ein Schaf fürs Leben" http://www.staatstheater.de/20112012/jungestheater1/ein-schaf-fuers-leben.html 
Die Zuschauer und auch die Presse sind voll des Lobes - schön! http://www.nwzonline.de/Aktuelles/Kultur/Theater/NWZ/Artikel/2693853/Sch%F6ne-Geschichte-einer-unm%F6glichen-Freundschaft.html


05. - 11. 09. 2011
Der Wochenbeginn ist ausgebucht mit der Einarbeitung von Nick. Abends sind wir alle drei Cindy, Nick und ich jedes Mal geschafft, aber es kann ja nur besser werden... Beim Kanülenwechsel erhalte ich eine etwas größere, d.h. Durchmesser 9mm, bislang 8,5 mm, in der Hoffnung, dass diese dicht schließt und keine Geräusche macht. Danach scheint alles dicht, aber schon am nächsten Tag blubber, blubber... Nicht so richtig toll!
Für Freitag habe ich eine Teamzusammenkunft mit meinen Therapeuten geplant, wo ich mich in die "Höhe heben lassen will". Gesagt, getan! Vorweg sei erwähnt, dass mein E-Rollstuhl neben der Sitz- und Liegefunktion auch eine Stehfunktion hat. Also werde ich wie ein Raumfahrer ringsherum und von oben bis unten im E-Rollstuhl angeschnallt und ab geht's in luftige Höhe. Naja, ganz so rasant ist es nicht möglich. Ein Anfänger braucht Hilfestellungen, d.h. 2 Damen hocken zu Füßen und versuchen meine Knie durchzudrücken, zu meiner Rechten hat sich Cindy positioniert, um meinen Kopf und meinen "Rüssel" (sprich Beatmungsschlauch) fest zu halten. Kerstin steht zu meiner Linken und hat die verantwortungsvolle Aufgabe, mich mittels Fernbedienung in die Senkrechte zu katapultieren. Zunächst wird mir in halber Höhe mulmig ums Herzl - aber aufgeben ist nicht! Also 2. Anlauf und hoch geht's - prima, ich hab's geschafft. Schon steht Paparazzi Wolfgang vor uns, um alles im Bild, vielleicht auch für Bild (hi,hi) fest zu halten. Schönes und ein bisschen ängstliches Gefühl in dieser ungewohnten Position. Seit ich die Kanüle habe, war ich noch nicht in der Senkrechte. Meine Innereien waren bestimmt etwas verwirrt über den plötzlichen Lagewechsel. Nach dieser Aktion haben wir uns alle die Vesper verdient. Die Ergos steuern leckeren Kuchen vom Riedel-Bäcker aus Hirschfelde bei. In unserer anschließenden "Talkrunde" werden gute Ideen und Vorschläge bezüglich der Therapien vorgebracht. So werde ich mich, um meinem Spitzfuß entgegen zu wirken, nach einer sogenannten Quengelschiene umsehen. Danke Astrid für diesen Hinweis! Da Kerstin meine Therapeutin der 1. Stunde ist, seit November 2003, damals um meine beginnende Fußheberschwäche zu behandeln, verleihe ich ihr den Silbernen Smiley-Orden, d.h. eine Krankenschwesteruhr.
Zum Tag des offenen Denkmals besucht Wolfgang einige Einrichtungen und ist besonders begeistert von der rekonstruierten Schliebenschule. Da bereits ich von 1959 - 1967 und meine Söhne zwischen 1993 und 2002 hier lernten, freut man sich umso mehr über diesen baulichen Neuerungen. Zum Sonntagsfrühstück serviert uns Schnurri lebende wohlgenährte Maus mit Piepston. Da muss "Kater Wolfgang" herhalten und das nette Tierchen nach draußen begleiten.


01.
- 04. 09. 2011
Wie er doch recht hat der Herr Ford. Ich erlebe gerade im Pflegeteam das Gleiche. Neu eingestellt paar Dienste absolviert, im Urlaub erholt und danach gekündigt - unglaublich! Ärgerlich insbesondere deshalb, weil die ganze Phase der Einarbeitung, die für alle Beteiligten anstrengend ist, umsonst war...
Wolfgang genießt am Samstag sein Klassentreffen, welches dieses Mal nach Dittersbach führt. Für die kulinarische Versorgung fühlt sich die "Grüne Aue" verantwortlich und man ist voller Lob ob der guten Küche.
Bei den Hauffe-Männern in Dresden ist diese Woche gut verlaufen. Die drei müssen z.Zt. wochentags ohne Mami klarkommen, da Corina ein Praktikum in Berlin zu absolvieren hat. Wir drücken euch die Daumen, dass alles gut klappt. Luis ist ja schon "groß" und hilft fleißig dem Papa...