JUNI 2011

"Wir leben nicht um zu essen, sondern wir essen um zu leben"

Sokrates ( um 469 vor Chr. )


27. - 30. 06. 2011
Seit langer Zeit bedingt durch Krankheit sucht uns zu Wochenbeginn Josie auf. Wir freuen uns, sie wieder mal persönlich begrüßen zu können. Bei schönstem Wetter frühstücken wir gemeinsam im Garten und plaudern über alles mögliche. Josie ist natürlich nicht nur zum Essen und Erzählen extra von DD gekommen, sie weist eine neue Pflegekraft zunächst in die Geräte ein. Die Neue heißt Christine, ist Markus seine Frau und beginnt am 1. Juli bei mir für die ausscheidende Yvette.
Ein Wohlfühlprogramm verschönt mir den Donnerstag. Zunächst werde ich von Cindy mit Astrid geduscht. Danach übernimmt mich Astrids Mutti für eine Kosmetikbehandlung, die ich als Gutschein geschenkt bekommen hatte. Es ist eine spezielle Kosmetik, genannt Sauerstoff-Sprüh-Kosmetik, wobei mittels konzentriertem Sauerstoff, der über eine Art Kompressor auf die Haut gesprüht wird, die Poren sich öffnen und Maske und Cremes tiefer einwirken können. Cleopatra ist gar nichts gegen mich!?!

20. - 26. 06. 2011
Zum Montag besucht mich meine treue Seele Susanne vom Chor. Natürlich hat sie wieder einen Kuchen gebacken, den wir uns schmecken lassen. Rüdiger und seine Kommilitonen erhielten am 21. d.M. ihren Studienabschluss "Bachelor of Arts" in feierlicher Form überreicht. Herzlichen Glückwunsch euch allen! So schnell vergehen 4 Jahre Studium - unglaublich!
Eigentlich ist es zum verrückt werden: Da habe ich doch mit meiner Krankheit "friedliche Koexistenz" vereinbart. Das ging auch über ein Jahr gut und nun muss die Dame "ALS" wieder ihre Dominanz beweisen. Meinen linken Zeigefinger konnte ich noch leicht anheben und z.B. im Takt bewegen, aber nun ist's auch damit vorbei - geht nicht mehr - Mist! Nun habe ich nur noch einen Finger. den rechten Ringfinger, den ich minimal nach unten bewegen kann und mit dem ich die Klingel, Marke Eigenbau bediene. Die Frage ist, wie lange noch???
Mit großem Interesse verfolge ich auf ZDF das Interview mit Samuel Koch, welcher bei "Wetten das" verunglückt war. http://www.welt.de/fernsehen/article13451014/Samuel-Koch-und-grosse-Wunder-mit-dem-kleinen-Zeh.html Obwohl ich ein ganzes Stück alter bin als er und die Ursache für die Körperlähmungen nicht identisch sind, gibt es viele Parallelen zwischen uns. Auch Samuel hat eine ganz positive Lebenseinstellung und schätzt realistisch ein, dass viele Menschen gesundheitlich noch schlechter dran sind. Diese Sichtweise habe ich von meinem Vater mit auf den Weg bekommen. Er verlor im 2. Weltkrieg sein Augenlicht und meisterte als Blinder sein Leben vorbildlich. Außerdem konnte ich mir einige Reha-Hilfsmittel abgucken, so eine Cervicalstütze und Halbschalen für den Rollstuhl. Durch letztere würden meine Arme nicht von der Lehne rutschen. Die Halsstütze könnte meinem Kopf Halt geben, sodass Fahren mit dem Auto oder auf holprigen Wegen problemlos (ohne das mein Kopf unkontrolliert durch die Gegend schaukelt) möglich würde.
Wolfgang wird sich umgehend um die notwendigen Rezepte kümmern.

13. - 19. 06. 2011
Diese Woche gestaltet sich sehr abwechslungsreich. Ob sich der Mittwoch laut Mondkonstellation besonders gut für Besuche eignet, davon gehe ich einfach aus. Nachdem 2 Klassenkameradinnen ihr Kommen für diesen Tag angekündigt hatten, rief Susanne vom Chor an und beabsichtigte auch am Mittwoch bei uns aufzuschlagen. Als Dritter im Bunde meldete sich Bernd mit Ilona, der ebenfalls den 15.06. favorisierte. Wolfgang, mein Manager hat alle Gesuche mittels Kalender wohlwollend eingetaktet - nun passt es... Es ist wunderschön viel Besuch zu bekommen, aber eben nicht alle auf einmal, das überfordert mich dann doch. Der Nachmittag mit den beiden Martinas aus meiner Klasse war sehr, sehr schön. Wir feiern in diesem Jahr "40 Jahre Abitur" - um Himmelswillen, wir können es selbst kaum glauben, dass wir schon so alt sind. Am 1. Oktober ist das Klassentreffen geplant, wo ich mir fest vornehme, daran teilzunehmen. Während wir in Erinnerungen schwelgen, klingelt es erneut und meine Neurologin möchte ihren Hausbesuch durchführen - leider unangemeldet. Aber wir kriegen alles in die Reihe. Auch sie ist mit mir und meinen Befinden zufrieden und staunt über meine "Frontalbräunung". Cindy scherzt dann immer, indem sie äußert: "Wir stellen Geli um 10 Uhr raus und holen sie um 18 Uhr wieder rein." Na, schönen Dank auch!?!
Also am Donnerstag "darf" uns Bernd besuchen. Bei schwülem Wetter sitzen wir gemeinsam im Garten und haben uns viel zu erzählen. Ich schaffe es sogar, mich zu unterhalten und "nebenbei" Kaffee und Kuchen zu verspeisen. Gegenwärtig klappt es mit dem Kauen und Schlucken bei mir wirklich richtig gut. Ich teste das am Wochenende mal richtig aus. Gebratene Geflügelleber spachtel ich problemlos runter und zum Sonntag wage ich mich an Blumenkohlschnitzel ran. Mm..., war das fein und es klappte ohne Verschlucker. Die allgemeine Sorge der Mediziner, dass ALS-Erkrankte ihren Kalorienbedarf (rund 2000 kcal/Tag) nicht schaffen, kann bei mir vernachlässigt werden!?! Mein Appetit ist richtig gut und wenn ich ungestört und konzentriert die Nahrung "verarbeiten" kann, ist alles bestens. Seit ewig langer Zeit, zu meiner Freude hat Cindy unter meiner Befehlsherrschaft (hi,hi) eine Quarktorte ohne Boden gebacken. Ein Leckerbissen zur sonntäglichen Vesper.

06. - 12. 06. 2011
Mein Start in den Montag ist nicht sehr fein. Ich habe nicht geahnt, dass die 5%  noch solche Auswirkungen haben. In der 2. Nachthälfte werde ich munter und mir ist kotzübel. Es bleibt zwar bei Brechreiz, aber dafür geht der Schuss nach hinten los. Ist im Bett ein ganz besonderes Erlebnis. Ich war in diesen Momenten froh, Patient und nicht Pfleger zu sein... Danke Sebastian für die "Entsorgungsarbeit! Tagsüber habe ich von leckerem Zunge ausstrecken Kamillentee und Weißbrot gelebt und am nächsten Tag war alles wie weggeblasen - sehr wohltuend.
Am Donnerstag erhalten wir von Frau Herzog, Vertreterin von Cordamed die neuesten Informationen zur Problematik der Beatmungsgeräte und des erforderlichen Zubehörs. Die Krankenkassen budgetieren den Verbrauch mittlerweile - na mal abwarten, wie das funktionieren wird. Bloß mal ein Beispiel: Die unter normalen Bedingungen benötigte Zahl an Absaugkathetern verdoppelt oder verdreifacht sich bei Erkältung bzw. Bronchitis. Nachmittags ist Leben in der Bude, dafür sorgen Luis und Moritz. Corina ist mit den Zwergen diese Woche noch hier, der Papa muss arbeiten.
Wir stöbern in Kinderfotos von Andreas und Rüdiger. Von Moritz sind eigentlich gar keine Aufnahmen notwendig, denn Andreas sah haargenau gleich aus - Wahnsinn! Luis betrachtet etwas skeptisch die Fotos und kann nicht so richtig glauben, dass darauf der Papa und der Onkel abgebildet sein sollen.
Bei Regen sitzen wir gemeinsam mit Gundel und Peter in der Mocca-Bar und brunchen.


So lässt sich der Pfingstsonntag aushalten. Die Zeit vergeht wie im Fluge und als wir nach Hause kommen, habe ich über 5 h meinen Po im Rollstuhl platt gesessen. Junior Hauffes schauten auch kurz mal in die Lokalität rein, um sich vor Antritt der Heimfahrt nach DD von uns zu verabschieden.

01. - 05. 06. 2011
Wolfgang ist zur Kontrolle bei der Augenärztin und bekommt bestätigt, dass keine Verschlechterung des grünen Stars eingetreten ist - sehr beruhigend! Zu Himmelfahrt ist es sehr trüb draußen. Aber gegen Abend setzt sich die Sonne durch, sodass ich mit Cindy noch etwas Zeit im Garten verbringe.
Großer Kaninchenschmaus ist am Freitag angesagt. Dazu sind die 4 Dresdner angetreten, um sich in der Provinz den Bauch voll zu schlagen. Luis lässt sich das nicht 2x sagen und kann vom Fleisch gar nicht genug bekommen. Moritz hat inzwischen 2 Zähnchen, muss sich jedoch noch mit Brei zufrieden geben. Beide boys entwickeln sich gut und machen ihre Eltern und Großeltern viel Freude. Durch meinen täglichen Aufenthalt im Freien habe ich schöne Farbe bekommen. Corina bemerkte, ich sehe aus wie nach einem Karibikaufenthalt. Freut mich und ich kann's kostenlos genießen. Selbst stelle ich fest: von vorn Indianer, von hinten Albino... So jetzt habt ihr eine Vorstellung von meiner differenzierten "Schönheit".
Zum Samstagabend meint mein Körper mal für Abwechslung sorgen zu müssen und lässt die Temperatur auf 38,1 grd ansteigen. Dazu gibt's Kopf- und Gliederschmerzen. Ich finde es nicht unbedingt lustig... Zum Glück gibt sich bis zum nächsten Morgen alles wieder und ich fühle mich zu 95% gut. Eine Ursache für diese "Staupe" weiß ich wirklich nicht. Markus sorgt dafür, dass ich mich insgesamt wohl fühle und rückt auch meinen fettigen Haaren mit einer Wäsche zu Leibe.